Die Verfahren sind nach den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten, mithin auf der Grundlage jener Überlegungen, die der Grundstücksverkehr nach der individuellen Art des Grundstücks für die Preisbemessung anstellt, den sonstigen Umständen des Einzelfalls, womit in erster Linie die dem Sachverständigen für die Wertermittlung zur Verfügung stehenden Vergleichsdaten gemeint sind, auszuwählen und in der Wahl zu begründen. Wegen der unveränderten Benennung nur der drei klassischen Wertermittlungsverfahren unterscheidet sich die (neue) ImmoWertV von der (abgelösten) WertV 88 in diesem Punkt nicht. Gleichwohl ist die Anwendung anderer sachgerechter Verfahren zur Marktwertermittlung dadurch nicht ausgeschlossen, d.h., es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Allerdings dürfen nur solche Verfahren zur Anwendung kommen, die geeignet sind, so z.B. das Residualwertverfahren bei der Verkehrswertermittlung von Immobilien mit Entwicklungspotential. Ebenso wenig ausgeschlossen ist eine Verfahrensmodifizierung wie z.B. das neu in die ImmoWertV aufgenommene eingleisige vereinfachte Ertragswertverfahren (ohne Abspaltung in einen Bodenwertund Gebäudewertanteil) nach § 17 Abs. 2 Ziff. 2 oder das sog. mehrperiodische Ertragswert-verfahren nach § 17 Abs. 2 Ziff. 3 ImmoWertV. Grundsätzlich ist es ausreichend, die Wertermittlung auf der Grundlage nur eines Wertermittlungsverfahrens durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dieses Verfahren die Preisbildungsmechanismen des maßgeblichen Grundstücksteilmarkts zutreffend widerspiegelt und wenn die Qualität der verwendeten Daten die für das
gesuchte Wertermittlungsergebnis erforderliche Genauigkeit garantiert. Ein davon unabhängiges zweites Wertermittlungsverfahren ist in seiner Aufnahme dann sinnvoll bzw. erforderlich, wenn dadurch die Ergebnissicherheit erhöht wird. Dies ist regelmäßig bei „Sowohl-als-auch-Objekten“ wie beispielsweise bei einem Drei- bis Vierfamilienwohnhaus oder bei einem kleineren Handwerksbetrieb mit eigenem Betriebsleiterwohnhaus im Sachwertbereich unter Hinzuziehung des Ertragswertverfahrens der Fall. Demgegenüber sieht der Sachverständige in der Heranziehung des Sachwertverfahrens bei einem Mehrfamilienwohnhaus, des Ertragswertverfahrens – selbst im Fall einer temporären Vermietung – bei einem Einfamilienwohnhaus die Ergebnissicherheit des dafür eigentlich maßgeblichen Verfahrens nicht als erhöht an.
Die sachgerechte Anwendung des Vergleichswertverfahrens für bebaute Grundstücke gemäß § 15 ImmoWertV setzt voraus, dass eine ausreichende Anzahl von Kaufpreisen solcher Grundstücke zur Verfügung steht, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinsichtlich der wertbeeinflussenden Parameter hinreichend übereinstimmen. Selbst wenn die Verordnung die Heranziehung von ergleichspreisen aus anderen Gebieten und/oder die Berücksichtigung abweichender Merkmale auf der Grundlage von Indexreihen oder Umrechnungs-koeffizienten erlaubt, sind diese Abweichungen i.d.R. nicht mit der erforderlichen Genauigkeit quantifizierbar. Angesichts der auf manche Bewertungsobjekte anzutreffenden Individualität, begründet durch die äußere Lage innerhalb einer kleinen ländlich strukturierten Gemeinde ohne wesentliche Infrastruktur, die innere Lage in attraktiver Nähe des Außenbereichs und in untypischer Straßenrandbebauung, die Existenz eines bereits rd. 30 Jahre alten Einfamilienwohnhauses mit Unterkellerung, eine unterdurch-schnittlich modernisierte Eigenschaft mit deutlich sichtbarem Modernisierungsstau, den offensichtlich vernachlässigten Pflege- und Unterhaltungszustand, die Besonderheit eines nicht vollständig beseitigten Wasserschadens, die Fortsetzung der negativen Beschaffenheitsmerkmale auch für das Grundstück (Zuschnitt, Gebäudestellung, Einsehbarkeit und Geländeabwicklung), kann/muss bisweilen auf das Vergleichswertverfahren verzichtet werden.
Dieser Verzicht gilt allerdings nur für das Verfahren selbst, die Ermittlung von Vergleichsfaktoren ist bereits aus Gründen der bestehenden Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 ImmoWertV („… für die Verkehrswertermittlung ist das erhaltene jeweilige
Verfahrensergebnis in seiner Aussagefähigkeit zu würdigen“) unverzichtbar. Da derartige Vergleichsfaktoren nach einer vorherigen Festlegung der preisbeeinflussenden Merkmale aus den Kaufpreisen selbst abgeleitet werden, handelt es sich indirekt um ein zweites unabhängiges Alternativverfahren mit Kontrollfunktion. Im Ertragswertverfahren gemäß §§ 17-20 ImmoWertV wird der Ertragswert des Grundstücks auf der Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt. Die Verordnung regelt insgesamt drei Varianten, die auch als zweigleisiges „allgemeines“ Ertragswertverfahren unter Abspaltung des Bodenwerts und Kapitalisierung nur des Gebäudereinertrags eingleisiges „vereinfachtes“ Ertragswertverfahren ohne Abspaltung des Bodenwerts bei Gebäuden mit noch langer Restnutzungsdauer mehrperiodisches Ertragswertverfahren unter Kapitalisierung sich verändernder Erträge über einen begrenzten Zeitraum zzgl. eines Restwerts für die verbleibende Restnutzungsdauer bezeichnet werden. Der Reinertrag ergibt sich in den beiden erstgenannten Fällen aus dem Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten8, im mehrperiodischen Verfahren aus den vertraglichen Vereinbarungen. Typische Fälle für die Anwendung des Ertragswertverfahrens sind Mietwohngrundstücke mit oder ohne gewerbliche bzw. geschäftliche Anteile, Grundstücke, die mit Hotels, Kliniken oder Seniorenwohnanlagen bebaut sind, Freizeit-, Dienstleistungs- oder Sonderimmobilien für spezielle Nutzungen, Gewerbegrundstücke i.S. von Fabrikationen, Einzelhandelsimmo-bilien, Logistikzentren u.a.m. Im Schrifttum9 wird häufig die Auffassung vertreten, dass das Ertragswertverfahren auch bei der Verkehrswertermittlung von Ein-/Zweifamilienwohnhäusern Anwendung finden kann. Allerdings setzt diese Anwendung Kenntnisse über die diesen Kaufpreisen zugrunde liegenden Liegenschaftszinssätze voraus. Daran mangelt es i.d.R. in sofern, weil Ein- und Zweifamilienwohnhäuser sachwertorientiert gewertet werden.
Im Sachwertverfahren gemäß §§ 21-23 ImmoWertV wird der Sachwert des Grundstücks – neben dem Bodenwert – aus dem Sachwert der baulichen Anlagen ermittelt, wobei der Sachwert der Gebäude aus deren Herstellungskosten unter Berücksichtigung
der Alterswertminderung, der Sachwert der Außenanlagen und der sonstigen Anlagen i.d.R. nach Erfahrungssätzen zu ermitteln sind. Das derart gefundene Ergebnis ist ein vorläufiges Ergebnis, daran anschließend sind die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt durch die Heranziehung von Sachwertfaktoren einzubinden. Der daraus resultierende „marktangepasste vorläufige Sachwert“ führt erst nach Berücksichtigung der besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale (vgl. vorstehend) zum Sachwert selbst. Insoweit ist mit der Einführung der ImmoWertV das Sachwertverfahren gegenüber der WertV 88 wesentlich verändert worden, denn bisher wurde unter dem Sachwert ein weitgehend kostenorientierter Wert ohne Marktanpassung verstanden. Die neue Regelung ist darin begründet, dass die von den Gutachterausschüssen abzuleitenden Sachwertfaktoren auf der Grundlage von „Normalobjekten“ ohne besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale abgeleitet werden und deshalb auch nur auf entsprechende Objekte zur Anwendung kommen dürfen. An der Sachgerechtigkeit des Sachwertverfahrens für die Verkehrswertermittlung des hier zu beurteilenden Einfamilienhausgrundstücks ändert die neue Regelung grundsätzlich nichts.